Im Sommer 2017 flatterte uns das Programmbuch der vierten chor.com in Dortmund auf den Tisch. Ganz vorne eine ganzseitige Anzeige: Die ersten 20 Chöre, die sich melden, können einen zweistündigen Workshop mit Jan Bürger von Maybebop gewinnen…
Was soll ich sagen? Wir waren schnell genug! Nach einigen sehr freundlichen eMails hin und her hatten wir schnell einen Termin und ein Wunschthema definiert.
Am 29. April 2018 vormittags stieg am menschenleeren Bahnhof in Baunatal-Guntershausen ein freundlicher, lockerer Jan Bürger aus. Wir nahmen ihn mit in unseren Probenraum, versorgten ihn mit Käsebrötchen und Kaffee, und dann ging’s direkt los. Wir hatten das Stück „Kleine Taschenlampe, brenn“ in einem Arrangement von Carsten Gerlitz vorbereitet. Anhand dieses Stückes wollten wir Jans Wissen rund um Bühnenpräsenz, Präsentation und Ausdruck aufsaugen. Musikalische Baustellen ergeben sich in solch einem Stadium der Stücke ja immer mal von selbst.
Na ja, und das war auch so. Jan begann damit, ganz viele Informationen unserer Ensembleleiterin Martje Grandis zu verstärken. Dinge, die wir schon oft von ihr gehört hatten, leider nicht immer beherzigen, hat er uns ganz tief ins Bewusstsein gebrannt: Habt Mut zur Wampe beim Singen. Atmet lautlos. Schultern runter. Bitte keinen Stock im Hintern! Das Übliche – eigentlich. Aber das von einem weiteren kompetenten, bühnenerfahrenen und dazu noch außenstehenden Profi zu hören, war irgendwie noch einmal besonders einprägsam. Martje (die uns nicht nur leitet, sondern auch singendes Ensemblemitglied ist) strahlte bis in die Haarspitzen, als wolle sie sagen: „JA, und JA, und JA, sag’s ihnen, und JA, vielleicht begreifen sie’s jetzt!“ Wertvolle Tipps zum Spüren und Halten des von Martje angegebenen Tempos gab es, Einblicke in Jans Bühnenalltag und-und-und.
Für uns alle am spannendsten aber war die Aufgabe, die uns Jan dann stellte: Singt das Stück jetzt nur für mich. Schaut mich immer, immer an. Auch dann, wenn ich gerade wegschaue. Erzählt mir ganz allein die Geschichte. Und weicht meinem Blick NICHT aus, sondern bleibt dran, wenn ich Euch in die Augen schaue. Mit Staunen erlebten wir, dass wir an unsere Grenze stießen. Aber dann doch schafften, den intensiven Blickkontakt auszuhalten und über diese Grenze hinaus zu gehen. Wie in jedem Ensemble gibt es bei uns Rampensäue und eher Schüchterne. Aber: Für alle von uns war das nicht leicht. Ich (eher eine Rampensau) hatte während dieser Übung ein ganz intensives, neues Singerlebnis. Das war schön – deutlich schöner, als so wie sonst „normal“ zu singen. Anscheinend machte die Übung etwas mit mir: Nicht nur brachte ich das Stück eindrücklicher rüber, sondern hatte auch selbst tiefere Empfindungen. Wow… Jan gab uns eine begeisterte Rückmeldung und war besonders glücklich darüber, dass unsere zurückhaltenderen Ensemblemitglieder plötzlich von innen zu strahlen begannen. Wir nehmen mit: Wir brauchen den echt empfundenen, unausweichlichen Drang, etwas vermitteln und das Publikum wirklich mitnehmen zu wollen. Wenn uns das gelingt, gehen „die“ und „wir“ glücklich aus dem Konzert.
Aber trotz der kurzen Zeit, die wir mit Jan hatten, war diese gut ausgenutzt und unglaublich effektiv. Sein Vorschlag, sich genau zwei Aspekte aus seinen VIELEN Anregungen herauszupicken und zu versuchen, sie in der Probenarbeit umzusetzen, nahm der Flut an „Dies könnt Ihr besser machen, verändert das, denkt an jenes…“ den Schrecken. Erstmal zwei Dinge, okay. Das ist hinzukriegen. Jans Lob, wir seien offensichtlich ein fortgeschrittenes Ensemble, fühlte sich richtig gut an!
Danke, Jan – das war großartig! Wir können uns vorstellen, das ausführlicher zu wiederholen. Und wir empfehlen Jan hiermit ausdrücklich weiter. Er nimmt seinen Kaffee mit Milch und ein wenig Zucker… Workshopanfragen an: jan@maybebop.de, ➞ Konzerttermine und Infos.
➞ Martje Grandis‘ Seminarangebote
dodecanta gibt’s im Oktober 2018 in sechs Konzerten mit dem neuen Programm „Jetzt auch auf Deutsch“ zu sehen: ➞ alle Termine und Infos.
Christiane Forst-Reuter
dodecanta – das sind 12 Stimmen a cappella:
Seit 2012 singen zwölf langjährig chorerfahrene Frauen und Männer aus Kassel und Umgebung zusammen unter der musikalischen Leitung von Martje Grandis.
Ihre Musik ist nicht auf einen Stil oder eine Epoche festgelegt. Die musikalische Spanne reicht von geistlicher Musik bis zu amerikanischen Jazz-Standards. In diesem „lässigen musikalischen Mix“ (HNA) tauchen allerdings auffällig oft die anspruchsvollen A-cappella-Arrangements der King’s Singers auf.